Warum wetteifern derzeit die Parteien im Wahlkampf, wer sich am patriotischsten gibt? Und weshalb erlebte die Schweiz ab 2001 das politisch bewegteste Jahrzehnt seit dem Zweiten Weltkrieg, obwohl es ökonomisch das erfolgreichste seit den 1960er Jahren war?
Diese Fragen beantworten Gerhard Schwarz und Markus Schär auf Einladung der österreichischen Zeitschrift «Europäische Rundschau» im Essay «Schweiz: Patriotenstreit im prosperierenden Land», der eben publiziert worden ist.
Die beiden Autoren von Avenir Suisse zeigen, dass der Patriotenstreit im prosperierenden Land in verschiedener Hinsicht paradox ist:
Einerseits führte gerade der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz aufgrund ihrer Offenheit zu Spannungen, die sich von Populisten aller Couleurs bewirtschaften lassen. Die gemäss angelsächsischen Gepflogenheiten ausgerichteten Spitzengehälter erregen Unmut in fast allen Schichten der Bevölkerung, besonders die Boni der Banker, die teils auf Risiken beruhen, für die eine implizite Staatsgarantie besteht. Und die «neuen Zuwanderer» mit ihrer guten Ausbildung und ihrer hohen Kaufkraft verschärfen die Konkurrenz um Führungspositionen und vor allem um Wohnraum, besonders in den Metropolen Zürich und Genf.
Anderseits gefährden die Patrioten mit ihrem Streit gerade die schweizerischen Eigenheiten, auf denen der Erfolg des Landes beruht: Wettbewerb der Kantone und Gemeinden, Subsidiarität, direkte Demokratie, liberale Offenheit nach aussen und im Innern und – derzeit besonders bedroht – die Konkordanz. Das einzigartige System mit einer Regierung, in die alle bedeutenden Kräfte entsprechend ihrer Stärke eingebunden sind, verhalf dem Land zur Blüte. Die Schweiz sollte es deshalb weiter pflegen.
Der erwähnte Artikel ist in der Europäischen Rundschau 3/2011 erschienen.