Das Steuersystem benachteiligt die Sparer, besonders bei den tiefen Zinsen, die derzeit herrschen. Eine Konsumsteuer könnte die Ungerechtigkeit beheben.
Das tiefe Zinsniveau in der Schweiz wird oft als grosser Standortvorteil angepriesen. In der Tat konnte unsere Volkswirtschaft über Jahrzehnte von einer insgesamt stabilen und tiefen Inflationsrate profitieren – davon hängt das Zinsniveau massgeblich ab. Ob jedoch ein tiefes Realzinsniveau (also die um die Inflation bereinigte Verzinsung) einen Vorteil darstellt, hängt von der Perspektive ab. So dürfen sich Hypothekarschuldner freuen, dass sie beinahe gratis wohnen können; für die Sparer hingegen sind die gegenwärtig tiefen Zinsen kein Grund zum Feiern. Ausserdem ist ein Verteilungsaspekt zu beachten.
Paradoxerweise gehören nämlich die wohlhabenderen Haushalte eher zu den Schuldnern. Zur Verschuldung kommt es in den meisten Fällen durch den Erwerb eines Eigenheimes oder die Finanzierung eines Unternehmens. Und es sind eher die einkommensstärkeren Haushalte, die Wohneigentum kaufen oder einen eigenen Betrieb besitzen.
Steuern zahlen ohne Einkünfte
Eine weitere Quelle der Benachteilung der Sparer ist die Besteuerung der Ersparnisse. Besteuert wird das nominale Spareinkommen, nicht das reale. Dies ist besonders ungünstig, wenn die reale Verzinsung der Ersparnisse tief oder sogar negativ ist – eine Situation, in der wir uns seit zwei Jahren befinden (siehe Grafik). Die Sparer zahlen Steuern auf Anlagen, die nichts abwerfen. Dieser Effekt ist im Moment noch nicht stark ausgeprägt, weil das nominale Zinsniveau ebenfalls sehr tief liegt. Wenn die Inflation anstiege, würde er sich jedoch verschärfen. Der effektive Steuersatz, der auf den Ersparnissen lastet, ist bereits heute äusserst hoch.
In den letzten drei Jahren betrug die durchschnittliche Verzinsung der dreijährigen Bundesobligationen 0,9 %; die real erwartete Rendite belief sich hingegen auf lediglich 0,1 %. Bei einem Grenzsteuersatz des Einkommens von 30% betrug somit der effektive Steuersatz für das Zinseinkommen 350%. Ähnlich hohe Steuersätze belasteten weitere festverzinsliche Anlagen, wie beispielsweise Unternehmensanleihen und Sparhefte, daneben aber auch Dividenden. Und die effektive Steuerbelastung ist sogar noch höher.
Diese Rechnung berücksichtigt nämlich nicht, dass die Ersparnisse aus einem bereits versteuerten Einkommen gebildet wurden. Es überrascht daher nicht, dass viele Haushalte trotz hoher Immobilienpreise und unsicherer Wirtschaftslage einen Hauskauf erwägen.
Tiefe Realzinsen widerspiegeln die mangelnden Investitionsopportunitäten des aktuellen Marktumfeldes – und dies lässt sich nicht leicht beeinflussen. Eine hohe effektive Besteuerung der Ersparnisse ist hingegen hausgemacht; sie ist eine direkte Folge des Steuersystems. Es erstaunt daher nicht, dass sich zahlreiche Ökonomen immer wieder für eine Reform der Besteuerung von Ersparnissen ausgesprochen haben. Wie könnte ein für die Sparer freundlicheres System aussehen?
Zahlreiche Varianten denkbar
Eine seit Jahrzehnten immer wieder diskutierte Alternative sieht den Übergang zu einer umfassenden Konsumsteuer vor. Die Steuerbasis würde somit nicht mehr ein breit definiertes Einkommen bilden, zu dem auch das Zinseinkommen gehört, sondern ausschliesslich der Konsum. Zahlreiche Varianten von Konsumsteuern sind denkbar. Eine davon, die Mehrwertsteuer, ist allen Konsumenten bereits bestens bekannt. Damit eng verwandt – und dennoch von der Linken vehement bekämpft – ist die Flat Tax, wie sie beispielsweise 2004 in der Slowakei eingeführt wurde. Bei dieser Variante haben sowohl die Unternehmen als auch die Privathaushalte den gleichen proportionalen Anteil des Mehrwertes zu entrichten. Dieser entspricht bei den Haushalten dem Lohn, bei den Unternehmen der Differenz zwischen Umsatz und Vorleistungen. Auch wenn die Flat Tax gemeinhin den direkten Steuern zugerechnet wird, unterscheidet sie sich nur wenig von der indirekten Besteuerung durch die Mehrwertsteuer.
In welcher Form auch immer sie gestaltet wird, eine Konsumsteuer verzerrt die Ersparnisbildung nicht. Anders als eine Einkommenssteuer, welche die gebildeten Ersparnisse wiederholt besteuert, wird die Konsumsteuer nur einmal erhoben – beim Konsum. Während also die Einkommenssteuer in der gegenwärtigen Form einen Anreiz zum sofortigen Konsum gibt, wirkt sich eine Konsumsteuer neutral bezüglich des Zeitpunktes des Konsums aus. Sie verzerrt die Investitionsentscheidungen nicht und schont die Sparer. Das wäre angesichts der gegenwärtigen Lage keine kleine Sache.