Jeden Frühsommer blicken die 26 kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren gespannt nach Bern: Die Eidgenössische Finanzverwaltung präsentiert die Ausgleichszahlungen der Kantone im Nationalen Finanzausgleich (NFA) fürs kommende Jahr. Wie am Dienstag mitgeteilt, werden 2025 im Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen Gelder im Umfang von total 6,2 Mrd. Franken umverteilt. So viel wie noch nie.

Die mit Abstand grössten Zahlungen finden im Rahmen des Ressourcenausgleichs statt (4,8 Mrd. Franken), dem eigentlichen Herzstück des NFA.Damit sollen die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den Kantonen verringert und den finanzschwächsten Kantonen eine ausreichende finanzielle Leistungsfähigkeit sichergestellt werden – so dass die öffentlichen Leistungen in den unterschiedlichen Landesteilen nicht zu stark divergieren. Diese Ziele wurden in der Vergangenheit (zu) gut erreicht, wie der Bundesrat in regelmässigen Abständen feststellt. 

Trilemma des Finanzausgleichs

Die Umverteilung hat indes einen Haken: Sie verändert die Anreize der Kantone. Je stärker Gelder von finanzstarken zu finanzschwachen Kantonen transferiert werden, desto geringer sind die Anreize zur Stärkung der Standortattraktivität. Anstrengung wird nur beschränkt belohnt oder sogar bestraft. Die Finanzausgleichspolitik bewegt sich diesbezüglich im gleichen Spannungsfeld wie die Sozialpolitik: Es besteht ein Trilemma zwischen dem Niveau der sozialen Sicherung (bzw. wie viel Geld die Kantone mindestens zur Verfügung haben sollen), der Finanzierbarkeit, und wirksamen Anreizen, die eigene Situation zu verbessern. Man kann nicht alles haben.

In der Politik genoss über lange Zeit eine hohe Umverteilungssumme oberste Priorität. Was insofern nicht überrascht, als die grosse Mehrheit der Kantone zu den Netto-Transferempfängern zählt. Nach zähen Verhandlungen sind jedoch per 1. Januar 2020 zwei Reformpakete in Kraft getreten, die auch die systeminhärenten negativen Anreize verringern sollen:

  • Finanzausgleichsreform 2020 (grundlegende Anpassungen beim Berechnungsmodell)
  • Unternehmenssteuerreform Staf 2020 (Änderungen bei der Berücksichtigung der Unternehmensgewinne)

Auch wenn die zweite Reform erst 2031 vollständig implementiert sein wird (aufgrund Übergangsregelungen und nachhinkenden Steuerstatistiken), lichtet sich nun langsam der Nebel, was die Reformen anreiztechnisch verbessern konnten. Zeit für eine erste Bestandsaufnahme. 

Wie der Finanzausgleich funktioniert

Wichtig zu wissen: Die Berechnung der Ausgleichzahlungen basiert auf den kantonalen «Ressourcentöpfen», aus denen die Kantone mittels Steuern ihre öffentlichen Leistungen finanzieren. Diese Töpfe umfassen sämtliche innerhalb eines Kantons anfallenden steuerbaren Einkommen, Vermögen sowie Unternehmensgewinne und widerspiegeln damit die jeweilige Wirtschaftskraft. Diejenigen Kantone, die im schweizweiten Vergleich über überdurchschnittlich viele Ressourcen verfügen, zahlen proportional zu ihrem Ressourcenüberschuss in den Finanzausgleich ein. Unterdurchschnittlich ausgestattete Kantone hingegen erhalten Finanztransfers.

Steigen nun die steuerbaren Gewinne oder Einkommen in einem Kanton, verändern sich die Zahlungen in den bzw. aus dem Finanzausgleich. Gleichzeitig haben die Kantone höhere Steuereinnahmen. Für die Kantonskasse ist im Endeffekt eine Nettobetrachtung aus den Steuermehreinnahmen abzüglich veränderter NFA-Zahlungen entscheidend. Damit lässt sich zeigen, was dem Kanton und den Gemeinden finanziell effektiv bleibt, wenn sie lukrative Steuerzahler anlocken – nachfolgend als «Marge» bezeichnet.

Bessere Anreize durch Reformen

Abbildung 1 zeigt die Margen auf neue, ordentlich besteuerte Unternehmensgewinne für die Jahre 2019 (vor den NFA-Reformen) und 2025. Von 100 Franken zusätzlichen Unternehmensgewinnen bleiben Kanton und Stadt Zürich zusammen effektiv 13 Franken an Steuereinnahmen. Derselbe Gewinn verursacht im Kanton Glarus aufgrund des Finanzausgleichs indes einen Verlust für Kanton und Hauptort von einem halben Franken. Wie ein Vergleich der beiden Jahre zeigt, waren die Margen 2019 in der Regel deutlich geringer, obwohl die Steuersätze seither gesunken sind: Bei mehr als der Hälfte der Kantone vermochten die Steuermehreinnahmen infolge von neuen Unternehmensgewinnen die Abschöpfung durch den Finanzausgleich nicht zu kompensieren.

Hauptgrund für diese Margen-Verbesserung: Bis zum Steuerjahr 2020 wurden Gewinne (mit Ausnahme der Gewinne von Statusgesellschaften) im Finanzausgleich im gleichen Ausmass im Ressourcentopf einkalkuliert wie die Haushaltseinkommen. Gewinne werden aber von den Kantonen weniger stark besteuert. Die «Bestrafung» zusätzlicher Gewinne durch den NFA war in der Folge höher, als was diese steuerlich effektiv einbrachten. Die Staf-Reform hat dies nun korrigiert.

Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die Margen jeweils den Gemeindehaushalt (Kantonshauptort; inkl. Kirchensteuer) mitberücksichtigen. Für die Kantone – die letztlich die NFA-Zahlungen leisten bzw. erhalten – sind die alleinigen Margen entsprechend tiefer. So belasten 100 Franken Gewinn im Kanton Glarus das Kantonsbudget allein mit drei Franken. Aber auch in anderen finanzschwachen Kantonen stellen Gewinne im reformierten System weiterhin ein finanzielles Verlustgeschäft dar.

Dabei sei angemerkt, dass die aktuellen Margen zum heutigen Zeitpunkt nur eine Schätzung darstellen: Zwischen den Steuerjahren und der Finanzausgleichsberechnung besteht aufgrund der Datenverfügbarkeit eine mehrjährige Verzögerung; die Berechnung ist ferner gegenwärtig von Übergangsregeln beeinflusst.

Wie kann eine attraktive Steuerpolitik finanziell nachhaltig sein, wenn ein Kanton bei den Unternehmen nur sehr geringe (oder gar negative) Margen aufweist? Eine Möglichkeit liegt in der mit der Ansiedlung von Unternehmen verbundenen Folgeeffekten: Unternehmen generieren Arbeitsplätze und damit auch Einkommenssteuereinahmen. Abbildung 2 gibt einen Anhaltspunkt, ob das funktionieren kann. Dargestellt sind die Margen auf Einkommen, die dem kantonalen Spitzensteuersatz unterliegen. Während die meisten Kantone im positiven Bereich operieren, verfügen die finanzschwächsten Kantone oft über nur sehr geringe Margen, die zudem vielerorts ins Negative drehen, wenn man nur den Kantonshaushalt betrachtet. Da die meisten Kantone über ein progressives Steuersystem verfügen, reduzieren sich die Margen bei geringeren Einkommen. 

Anreize gut, alles gut?

Die Berechnungen zeigen: Trotz den Reformen haben diverse finanzschwache Kantone weiterhin kaum Anreize, am Standortwettbewerb teilzunehmen. Zumindest bei den Unternehmensgewinnen hat sich die Situation nun aber stark verbessert. Zudem zeigen die zahlreichen Steuersenkungen seit NFA-Einführung, dass der NFA den interkantonalen Steuerwettbewerb zwar bremst, aber keinesfalls ausgebremst hat. Unklar bleibt, ob der Finanzausgleich nicht anderswo unerwünschte Wirkungen entfaltet: So könnten die negativen Anreize auch zu einer eher laxen Steuerdurchsetzung führen oder individuelle Steuerarrangements zwischen Unternehmen und den Steuerbehörden attraktiv machen.

Da die schwächsten Kantone im NFA für eine positive Entwicklung am stärksten «bestraft» werden (infolge progressiver Ausgleichsformel), steht der bestehende Transfermechanismus zudem weiterhin im Widerspruch zum beabsichtigten Ziel, die finanziellen Disparitäten zwischen den Kantonen langfristig abzubauen. Die Disparitäten bleiben trotz deutlich erhöhtem Mitteleinsatz denn auch unverändert hoch bzw. steigen sogar, wie die soeben publizierten Zahlen zeigen. Hier gilt es aufzupassen, dass die zunehmende Zweiteilung in wettbewerbsfähige «Geber» und finanzschwache «Nehmer» nicht zur föderalistischen Zerreissprobe wird.

Patentrezepte gibt es jedoch keine, wie ein Vergleich mit der Sozialpolitik zeigt: So kann man fehlende Arbeitsanreize in der Sozialhilfe primär auf zwei Arten korrigieren: indem man das garantierte Leistungsniveau reduziert oder Arbeit «subventioniert» (über Zuschüsse bzw. indem sich die Sozialhilfe weniger stark reduziert als das Arbeitseinkommen steigt). Auf den Finanzausgleich übertragen: Bessere Anreize bedingen eine stark reduzierte Mindestausstattung an finanziellen Ressourcen oder ein massiv höheres Transfervolumen (lineare Ausgleichsformel). Beides dürfte politisch wenig Sympathien geniessen – und würde wiederum anderen Zielen im Finanzausgleich zuwiderlaufen.