Dem gegenwärtig wichtigsten Thema zwischen Deutschland und der Schweiz widmete sich beim Zermatter Symposium ein Podium: dem Steuerabkommen. Es gilt als gute Lösung für alle Beteiligten – noch ist es aber nicht von der EU genehmigt.
«Eine langjährige Erfahrung mit deutschen Steuersündern» hat Dieter Bohnert: Der Rechtsanwalt gehört seit 1986 zur renommierten deutschen Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, und er arbeitet seit kurzem an der Zürcher Bahnhofstrasse. Dort berät er «im Stundentakt» deutsche Bankkunden, die sich selber anzeigen wollen: «Es gibt auch Fälle, in denen ich am nächsten Morgen ein Telefon bekomme: Jetzt steht aber die Steuerfahndung bei mir in der Wohnung.» Bohnert schätzte die Zahl der Selbstanzeigen auf 30000.
Bewegung kam erst durch den Datenklau
«Seit 35 Jahren schlugen Deutschland und die Schweiz wegen dieser Frage aufeinander ein», sagte der Anwalt. Jahrzehntelang, meinte er, «war Deutschland aber gar nicht am Austrocknen dieses Sumpfs interessiert» und machte seine Hausaufgaben nicht. Die Verfahren gegen luxemburgische Banken in den 1990er-Jahren bildeten zwar die «Blaupause» für das Vorgehen gegen die Schweiz. Noch die markigen Worte von Finanzminister Peer Steinbrück aber beurteilte Bohnert als Theaterdonner: «Bewegung kam erst durch den Datenklau.»
Das Steuerabkommen beurteilte der Anwalt, nicht ganz uneigennützig, «sicher als gute Entwicklung». Er zeigte sich überrascht, wie weit verbreitet das Phänomen der Steuerflucht in die Schweiz bei den Deutschen war: Die Fälle reichten vom Handwerker mit einer halben Million an Schwarzgeld bis zu Depots, die seit Jahrzehnten eine Generation an die nächste weitergab. «Alle haben Probleme – sie lassen sich mit dem Abkommen lösen», sagte Bohnert. «Diese Leute werden wieder besser schlafen.»
Gute Lösung für Kunden und Länder
Noch kennt die Öffentlichkeit den Wortlaut des Abkommens nicht, das am 10. August paraphiert worden ist, jetzt zur Unterschrift bei den Regierungen liegt und danach ins Parlament kommt. Jakob Schaad von der Schweizerischen Bankiervereinigung, der es im Detail kennt, bezeichnete es jedoch als «gute Lösung für die Kunden, aber auch für beide Länder». Es bette sich ein in die Strategie der Schweizer Banken, nur noch auf versteuerte Vermögen zu setzen, die Privatsphäre ihrer Kunden aber weiterhin zu schützen: «Das ist mit dem Abkommen möglich.» Neben Grossbritannien wolle die Schweiz deshalb «mit anderen wichtigen Ländern» ebenfalls solche Abkommen schliessen, die sich höchstens bei den Steuersätzen – aufgrund der landesüblichen Ansätze – unterscheiden.
Auf skeptische Fragen gab Schaad beruhigende Antworten. Die Implementierung des Abkommens bis 2013 hielt er für «anspruchsvoll, aber möglich». Und eine Konsolidierung der kleineren Banken drohe nicht, versicherte er. Das aufwendige Beschaffen der Daten zur Vergangenheitsbewältigung könnten die Kleinen dank einer Zusammenarbeit mit der Six Group lösen. Und es genüge zwar nicht mehr, «Geld zu verstecken», die Banken müssten Werte für die Kunden schaffen. Aber dafür könnten die Kunden ihre Bankbeziehung «jetzt in aller Offenheit aufbauen». Es komme sicher zum Abzug von Geldern: «Doch es eröffnen sich auch Wachstumschancen.»
«Ich bin optimistisch für den Finanzplatz»
Ein globaler Finanzplatz bestehe «nicht nur aus Banken und schon gar nicht nur aus Privatbanken», versicherte Walter Kielholz, Verwaltungsratspräsident von Swiss Re und zuvor von Credit Suisse. Er wies darauf hin, dass sich Genf zum wichtigen Standort für Hedge Funds und Rohstoffhandel entwickle und dass Zürich ebenfalls über eine «signifikante Versicherungsbranche» verfüge. Besonders die Rückversicherung wachse massiv, ziehe Gelder von den Bermudas sowie aus London an und schaffe viele Arbeitsplätze. Die Voraussetzungen für einen globalen Finanzplatz seien ausserordentlich hoch, betonte Kielholz: «Zürich oder London lassen sich nicht einfach kopieren.»
Natürlich müssten die kleineren Banken aufgrund der «sicher sehr unangenehmen» Entwicklung ihr Geschäftsmodell überprüfen: «Es war ein Fehler, so lange am Geschäftsmodell Steuerhinterziehung festzuhalten.» Für die Grossbanken, die seit zehn Jahren auf eine On-Shore-Strategie setzen, bringe das Abkommen aber nichts Neues. Der Credit Suisse flössen jährlich 50 Milliarden Franken an Neugeld zu. Deshalb gab sich Kielholz für die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz sehr optimistisch. «Die Maschine läuft eigentlich», betonte er. Der Finanzplatz Schweiz sei nicht der einzige mit grossen Herausforderungen, er habe sogar weniger als seine Konkurrenten. «Die Nervosität an anderen Finanzplätzen ist mit Händen zu greifen.»
Knackpunkte bei der Prüfung durch die EU-Kommission
Angesichts von so viel Zuversicht erinnerte allerdings ein Insider in der Diskussion daran, dass die EU-Kommission die Abkommen der Schweiz mit einzelnen EU-Ländern noch billigen müsse: Die Staaten seien zwar frei, Steuerabkommen auszuhandeln, sie müssten dabei aber das übergeordnete EU-Recht beachten, so das Zinsbesteuerungsabkommen, auch das künftige, über das bereits verhandelt wird, oder die Bestimmung, dass Marktzugangsregelungen nicht bilateral verhandelbar sind. Bei dieser Prüfung durch die EU-Kommission gebe es also durchaus noch Knackpunkte.
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