An Ostern dreht sich alles ums Ei. Genauer um das inländische Ei. Denn «das Schweizer Ei ist nicht wie jedes andere», es weise gar «innere Qualitäten auf, welche für die Konsumentinnen und Konsumenten nicht ohne weiteres ersichtlich sind», so der Branchenverband GalloSuisse auf seiner Website. Das Schweizer Ei ist so wichtig, dass der Bundesrat – vielleicht mit Ostern im Hinterkopf – dazu eine eigene Verordnung verfügte. Die sogenannte Eierverordnung (EiV) von 2003 regelt die Ei(n)fuhr, die Kennzeichnung und die Beiträge an Verwertungsmassnahmen (um auch den Verbrauch von Eiern gegebenenfalls zu subventionieren).

Neuer Eier-Rekord

Nicht nur GalloSuisse oder dem Bundesrat liegen die Schweizer Eier am Herzen. Auch der Osterhase ist für seine korrekte Berufsausübung auf Eier angewiesen. An ihnen herrscht glücklicherweise kein Mangel: Letztes Jahr legten gemäss GalloSuisse Schweizer Hennen 868 Millionen Eier, dies ist neuer Rekord. In jeder Sekunde werden damit im «Hühnerparadies Schweiz 27 Stücke Glück» (GalloSuisse) produziert. Merke: Mehr Eier gleich mehr Glück. Kein Wunder, ist die Schweiz die zweitglücklichste Nation auf Erden, nur die Dänen scheinen uns hier etwas voraus zu haben (Earth Institute, Columbia University).

Alle sind somit zufrieden. Insbesondere der Osterhase ist beruhigt, genügend Arbeitsmaterial zu haben, um damit die Bevölkerung zu beglücken. Leider denkt er aber zu wenig weit. Denn ein schlauer Fuchs könnte fordern, dass wir Eier aus Dänemark importieren sollten, um die Dänen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. So gelänge es uns vielleicht, sogar den ersten Platz in der Rangliste der glücklichsten Nationen einzunehmen. Die Dänen würden dann über weniger Eier verfügen und wir über entsprechend mehr Glück.

Freihandel

Ostereier: Mit Freihandel zum Glück. (Wikimedia Commons)

Das ist theoretisch einfach und einleuchtend, in der Praxis jedoch mit Kosten verbunden. Denn der Import von Eiern – pardon: Glück – wird besteuert. So kosten 100 kg Glück aus der EU genau 47 Fr. Zoll. Dazu kommt natürlich noch der Preis für das Glück selbst, aber dieser liegt erfreulicherweise tiefer als in der Schweiz. Eine Alternative wäre, auf naheliegende Substitute auszuweichen, Schokoladeneier zum Beispiel. Denn gemäss Studien soll ja auch Schokolade glücklich machen. Die Schweiz wiederum ist das Schokoladen-Land. Umso mehr hätten wir den ersten Platz der glücklichsten Nationen verdient und nicht Dänemark. Um die Dänen zu verdrängen, müssten wir neben den einheimischen Schokolade-Fabrikaten einfach noch zusätzlich Schokolade importieren. Jene aus Belgien soll dazu geeignet sein, behaupten zumindest einige Nicht-Schweizer. Doch das so importierte Glück wird durch Abgaben von 42.95 Fr. pro 100 kg Schokolade etwas getrübt.

Wie können wir also bereits zu Ostern die glücklichste Nation auf Erden werden? Durch Freihandel. Ein ganz legales Schlupfloch erlaubt es der Schweiz, mehr Glück und darüber hinaus einige andere landwirtschaftliche Güter sowie verarbeitete Lebensmittel zu importieren: Es besteht ein kleines, gerade in der Deutschschweiz wohl unbekanntes Loch in der hohen Mauer des Agrarschutzes. Es ist gerade so gross, dass sich ein Osterhase durchzwängen kann. Zu verdanken haben wir diese Lücke Genf, und sie geht auf die Zeit vor dem Beitritt von Stadt und Kanton zur Eidgenossenschaft 1815 zurück. Denn die Genfer wissen, was Abschottung heisst: Aufgabe von Freiheitsgraden und schliesslich gar der Selbständigkeit.

Fremde Richter entschieden für die Schweiz

Im 18. Jahrhundert sicherte sich die Stadt Genf ihre Versorgung mit Gütern durch eine Vielzahl an Freibriefen. Dieses Regime des freien Handels kam aber nach der Französischen Revolution unter Druck, Zollabgaben wurden wieder eingeführt. Die Situation eskalierte derart, dass es Frankreich gelang, Genf wirtschaftlich zu isolieren, um es 1798 schliesslich zu annektieren. Dieser Zustand währte bis 1813, als Genf seine Unabhängigkeit dank der Kriege Österreichs gegen Napoleon wiedererlangte. Die Genfer hatten aus ihrer Geschichte gelernt. Mit dem Wiener Kongress sicherten sie sich eine Freihandelszone um die Stadt herum, konkret Hochsavoyen und das Pays de Gex (beide im heutigen Frankreich liegend), um die Versorgungssicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Anfangs des 20. Jahrhunderts führte dieser Zustand zu Streit zwischen Frankreich und der Schweiz. Frankreich wollte die Zollgrenze an die politische Grenze verschieben. Schliesslich musste der Streit vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgefochten werden, der übrigens der Schweiz Recht gab. Fremde Richter waren damit bereits vor knapp hundert Jahren nicht per se gegen die Schweiz, wie dies heute manchmal pauschal behauptet wird. Der 1933 erfolgte Schiedsspruch überdauerte den Zweiten Weltkrieg und sogar die Errichtung der heutigen EU.

Zwischen der Schweiz und einem kleinen Flecken der EU von rund 540 km2 besteht also bereits heute ein beinahe grenzenloser Agrarfreihandel, ohne dass die Schweizer Landwirtschaft daran zugrunde gegangen wäre. Der Nutzen – oder um im Diktum des Textes zu bleiben: das Glück ist gegenseitig. Schweizer Konsumenten profitieren von tieferen Preisen und einer breiteren Auswahl, die Nahrungsmittelproduzenten von günstigeren Rohstoffen. Die französischen Bauern wiederum erfreuen sich an den höheren Erlösen auf dem Schweizer Markt. Glück allenthalben – Frohe Ostern!