Die derzeit gewichtigsten Geschäfte der schweizerischen Verkehrspolitik sind zwei grosse Finanzierungspakete für die beiden Hauptverkehrsträger: die Vorlage für Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) sowie die geplante Vorlage für Finanzierung und Ausbau der Strasseninfrastruktur. Kern beider Pakete ist die Schaffung von Finanzierungsfonds mit eigenen Finanzierungskreisläufen. Vorteile solcher Fondslösungen sind mehr Transparenz und Planungssicherheit für die Verkehrsfinanzierung sowie die Tatsache, dass Ausbau und Unterhalt aus dem gleichen Topf finanziert und somit besser gegeneinander abgewogen werden können. Der grosse Nachteil spezieller Fonds, die aus dem regulären Haushalt ausgegliedert werden, ist freilich, dass sektorale Politiken ein finanzielles Eigenleben entwickeln und Ausgaben für Verkehr nicht mehr im Wettbewerb mit anderen Ausgabenposten stehen.
Durch die beiden Vorlagen wird die aktuelle Finanzierungsbasis für Schiene und Strasse (s. Abb. 13) neu geordnet. Umso bedauerlicher ist es, dass dabei die Chance für eine grundlegende Reform in Richtung Mobility Pricing nicht genutzt wurde. Beide Pakete rühren bei den Investitionen wie gewohnt mit der grossen Kelle an, geben sich jedoch in Hinblick auf mehr Benutzerfinanzierung und verkehrslenkende Anreize durch Preismechanismen sehr bescheiden.
Neuordnung der Bahninfrastrukturfinanzierung
Im Juni 2013 nahm das Parlament die FABI-Vorlage an. Diese sieht die Schaffung eines in der Verfassung verankerten, unbefristeten Bahninfrastrukturfonds (BIF) vor, aus dem der Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Bahnnetzes finanziert werden sollen und der den befristeten FinöV-Fonds ablöst. Ein mit FABI beschlossener erster Ausbauschritt sieht bis 2025 Ausbauinvestitionen in Höhe von 6,4 Milliarden Franken vor, eine Liste mit konkreten Ausbauprojekten war Teil der Vorlage. Die Bundesratsvorlage hatte ursprünglich «nur» Ausbauten für 3,5 Milliarden Franken vorgesehen, aber der Ständerat hat die Summe beinahe verdoppelt, um zusätzliche Projekte zu finanzieren – auch um die Vorlage in der notwendigen Volksabstimmung mehrheitsfähig zu machen. Der Grund ist einfach: Ein Ständemehr setzt für gewöhnlich voraus, dass die Mehrheit der Kantone durch Projekte für ihre Region befriedigt wird.
Finanziert wird der Bahnfonds, wie bisher der FinöV, durch Mehrwertsteuereinnahmen, Strassenverkehrsabgaben (LSVA, Mineralölsteuer) und allgemeine Bundesmittel (s. Abb. 14). Die Quersubventionierung von Strasse zu Schiene wird also beibehalten. Es gibt aber auch neu hinzukommende Einnahmequellen, nämlich die zusätzlichen Steuererträge aus einer Plafonierung des Pendlerabzugs auf 3000 Franken und die Anhebung der von den Bahnbetreibern für die Nutzung der Infrastruktur zu zahlenden Trassenpreise, die letztlich auf die Nutzer umgelegt oder durch Effizienzsteigerungen im Betrieb aufgefangen wird. Hinzu kommt weiter die künftige Finanzierung von Publikumsanlagen (Bahnhöfen etc.) durch die Kantone.
Somit beinhaltet FABI nur zwei minimale Schritte hin zu einem Mobility Pricing: Die Einschränkung des Pendlerabzugs und die höheren Trassenpreise erhöhen den Grad der Benutzerfinanzierung geringfügig. Ansonsten liegt der Schwerpunkt von FABI weiterhin auf teurem Kapazitätsausbau mit hohen Folgekosten (Betrieb), finanziert durch allgemeine Steuermittel. Regionale Wunschlisten für die nächste Ausbaustufe bis 2030 kursieren bereits, und das Parlament hat den Bundesrat aufgefordert, bis 2018 eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.
Neuordnung der Strasseninfrastrukturfinanzierung
Eine analoge Vorlage für Finanzierung und Ausbau der Strasseninfrastruktur wird derzeit vom Bundesrat vorbereitet. Bundesrätin Leuthard plant einen unbefristeten Fonds für Nationalstrassen und Agglomerationsverkehr (NAF), der die bestehenden befristeten Finanzierungsinstrumente ablösen soll. Der NAF soll wie der Bahnfonds ebenfalls in der Bundesverfassung verankert werden. Durch den Fonds sollen die bisher sehr verschachtelten Finanzierungsströme im Strassenverkehr entflochten und langfristige Planungssicherheit geschaffen werden. Aus dem Fonds sollen Ausbau, Betrieb und Unterhalt des Nationalstrassennetzes finanziert werden, inklusive 400 Kilometer ehemaliger Kantonsstrassen, die an den Bund übertragen werden. Wie beim Bahnfonds obliegt es dem Parlament, die zu finanzierenden Ausbauten alle 4 bis 5 Jahre als Paket zu beschliessen. Die Finanzmittel des Fonds sollen vor allem aus Abgaben und Gebühren aus dem Strassenverkehr stammen. Auch diesbezüglich sind einige Neuerungen geplant.
Der seit 1974 nicht mehr an die Teuerung angepasste Treibstoffzuschlag soll den bisherigen Planungen zufolge um 12 bis 14 Rappen erhöht werden, die Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken. Zudem ist geplant, eine bisher in den Bundeshaushalt fliessende Steuer auf Neuwagen in den Fonds umzulenken und eine neue Steuer auf Elektrofahrzeuge einzuführen. Aus Sicht des Mobility Pricing ist die Erhöhung des Treibstoffzuschlags die sinnvollste Massnahme, denn der Benzinverbrauch ist fahrleistungsabhängig, und somit wird jeder zusätzlich gefahrene Kilometer belastet, wenn auch noch nicht nach Strecken und Zeiten differenziert. Fixe Abgaben wie die Vignette tragen zwar auch zur Benutzerfinanzierung bei, aber sie erfüllen nicht das zweite wichtige Kriterium des Mobility Pricing: die verkehrslenkende Anreizwirkung, durch die ein kostensparendes Mobilitätsverhalten gefördert wird. Die Einführung einer Steuer auf Elektrofahrzeuge ist hingegen sinnvoll, denn deren Benutzer zahlen keine Benzinsteuer und entziehen sich somit dem wichtigsten Mechanismus zur Benutzerfinanzierung der Strassen.
Aus der Perspektive des Mobility Pricing sind die sich für die Strasse abzeichnenden Pläne vielversprechender als das Finanzierungspaket für die Schiene (FABI). Der Strassenfonds speist sich vor allem aus Abgaben und Gebühren der Nutzer, und deren Erhöhung steigert den Eigenfinanzierungsgrad im Strassenverkehr. Über den Treibstoffzuschlag wird auch eine gewisse verkehrslenkende Wirkung erreicht. Beim Bahnfonds spielen benutzerfinanzierte Einnahmen hingegen kaum eine Rolle. Bei beiden Fonds liegt der Fokus noch immer zu sehr auf Kapazitätsausbau («Hardware») und zu wenig auf Verkehrsdrosselung und -lenkung durch Preisanreize («Software»). Findet hier kein Umdenken statt, wird sich die Kostenspirale im Verkehr naturgemäss immer weiterdrehen.
In den nächsten Jahren gilt es daher, die Fonds durch Reformen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite weiterzuentwickeln. Auf der Einnahmenseite sollten die Fonds stärker durch benutzerfinanzierte Steuern und Gebühren gespeist werden, die Anreize für ein effizientes Mobilitätsverhalten und damit für Kostenvermeidung setzen. Auf der Ausgabenseite sollte die Auswahl der Investitionsprojekte strikter auf Basis volkswirtschaftlicher Kosten- Nutzen-Berechnungen erfolgen – inklusive Folgekosten der Ausbauten durch Unterhalt und Betrieb. Wenn es auf diese Weise gelingt, benutzerfinanzierte Einnahmen mit den Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen, bekäme die Schweiz geschlossene Finanzierungskreisläufe für Strasse und Schiene. In diesem Fall wären die beiden neuen Fonds ein erster Schritt in Richtung eines echten, nachhaltigen und fairen Mobility Pricing.
Dieser Artikel erschien in der Sonderbeilage «Der Preis ist der Weg» des «Schweizer Monat» (Oktoberausgabe). Mit freundlicher Genehmigung des Schweizer Monats.