In der politischen Debatte um den Atomausstieg werden häufig Gaskraftwerke als günstige und rasch realisierbare Alternative genannt. Doch im aktuellen Marktumfeld lassen sich diese kaum rentabel betreiben – selbst wenn sie ihre CO2-Emissionen im Ausland kompensieren könnten.
In der Schweiz wird der Strom zu etwa 95% durch Kern- oder Wasserkraftwerke produziert. Sieht man von den Importen ab, spielen fossil-thermische Kraftwerke (Öl-, Kohle- und Gaskraftwerke) für die Schweizer Stromversorgung keine nennenswerte Rolle. Mit dem Atomausstieg könnte sich das ändern. Politiker, aber auch die Strombranche weisen auf die Möglichkeit hin, im Sinn einer Übergangslösung die benötigte Grundlast (also während 24 Stunden gelieferte Bandenergie) mit Gaskraftwerken zu produzieren.
Gegen den Bau von Gaskraftwerken spricht jedoch ihre mangelnde Wirtschaftlichkeit. Dazu führt auch die CO2-Gesetzgebung, die eine vollständige Kompensation des Treibhausgasausstosses verlangt. Mindestens 70% der Kompensationen müssen im Inland erfolgen, wo Emissionsvermeidungsmassnahmen tendenziell kostspielig sind, höchstens 30% im Ausland (z.B. durch den Zukauf von Emissionszertifikaten). Neu soll allerdings dieser Auslandanteil auf 50% erhöht werden. Möglich ist ausserdem, dass durch eine Anbindung der Schweiz an das europäische Emissionshandelssystem der Kauf von Zertifikaten künftig als Inlandmassnahme gilt. Vor dem Hintergrund des grenzüberschreitenden Strommarktes wäre dies ökonomisch, aber auch ökologisch sinnvoll – schliesslich sollte die CO2-Reduktion dort erfolgen, wo sie am günstigsten zu haben ist.
Überkapazitäten und tiefe Preise im europäischen Markt
Dass Schweizer Gaskraftwerke zu gleichen Bedingungen am europäischen Strommarkt teilhaben könnten, heisst indessen nicht, dass sie sich tatsächlich rentabel betreiben liessen. Kraftwerksüberkapazitäten und die wenig dynamische Energienachfrage drücken die Preise im internationalen Handel. Dieser Zustand könnte noch länger anhalten.
Eine eigene, vereinfachte Simulation der variablen Kosten unterschiedlicher Gas- und Kohlekraftwerke sowie der Vergleich mit dem Strompreis im Terminmarkt machen das Wirtschaftlichkeitsproblem deutlich (vgl. Abbildung). Für die Kostenschätzungen wurden Forward-Preise für Kohle, Gas und CO2-Zertifikate an der Börse EEX verwendet. Dabei zeigt sich, dass der Preis für die im Jahr 2013 gelieferte Grundlast im Marktgebiet Deutschland in etwa den variablen Kosten eines modernen Gaskraftwerks entspricht.
Das heisst: die variablen Kosten moderner Gaskraftwerke bestimmen im Markt den Preis. Entsprechend können die Erträge aus dem Verkauf der Energie lediglich die variablen Betriebskosten decken, die Investition selber aber lässt sich nicht amortisieren und verzinsen. Weil der relativ kleine Schweizer Strommarkt die Grosshandelspreise für Strom und Gas aus den Nachbarländern übernimmt, ist die Wirtschaftlichkeit inländischer Gaskraftwerke ebenso ungenügend.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Grosshandelspreise vor allem im Winter über jenen in Deutschland liegen. Aufgrund der höheren Stromimporte tendiert dann der Preis im Schweizer Strommarkt gegen das höhere Niveau im italienischen Markt, wo die höheren Strompreise mitunter ein Resultat höherer Gaspreise sind. Doch auch der Preisanstieg im Winter garantiert den Gaskraftwerken in der Schweiz keine Gewinne, da vermutlich auch die inländischen Gaspreise während dieser Zeit ansteigen werden.
Verluste oder Subventionen
Der Markt bzw. die Preise geben also derzeit keine relevanten Impulse für den Bau von neuen Gaskraftwerken. Damit solche in der Schweiz trotzdem gebaut würden, müssten die Produzenten bereit sein, Verluste zu tragen. Das ist trotz ihrer mehrheitlich staatlichen Eigentümerschaft wenig wahrscheinlich – und auch nicht sinnvoll. Oder sie hoffen auf Subventionen, welche die Fixkosten der Kraftwerke decken (beispielsweise sogenannte Kapazitätszahlungen). Aus Sicht der Steuerzahler und Stromverbraucher ist keine der beiden Alternativen besonders attraktiv, jedenfalls nicht, solange es in Europa Kraftwerksüberkapazitäten gibt. Unter diesen Voraussetzungen wären Importe die bessere Übergangslösung – aber das getraut sich kaum ein Politiker vorzuschlagen.